Dr. Fritz Wachsner

Lehrer und Direktor der Schinkel-Oberschule in Prenzlauer-Berg in der Erich-Weinert-Straße 70, dem heutigen Sitz der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule.

Geboren am 03.07.1886 in Berlin

Deportation am 05.09.1942 nach Riga

Ermordet am 08.09.1942 in Riga

 

 
 
 
Die beiden Fotos stammen aus dem Archiv von Marianne Meyerhoff, das sie dem jüdischen Museum übergeben hat. Das Foto mit dem Mädchen auf den Schultern entstand 1919 und zeigt Fritz Wachsner mit seiner Tochter Charlotte.
 

Dr. Fritz (Robert) Wachsner wurde am 3. Juli 1886 als Sohn des Kaufmanns Siegfried Wachsner und dessen Frau Fanny, geb. Timmendorfer in Berlin geboren. Er wuchs in der Spandauer Vorstadt in der Auguststraße 41a. auf. Fritz Wachsner war jüdischen Glaubens und wurde „ziemlich orthodox erzogen“, wie er sich später erinnerte. 1899 ging er in der Ahawas Scholaum Synagoge in die Linienstraße zur Bar Mizwa. Er besuchte das Sophien-Gymnasium in der Weinmeisterstraße in Mitte und machte dort 1906 sein Abitur. Fritz Wachsner studierte an der Königlichen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin und an der Universität Jena Pädagogik, Philosophie, Religion und Naturwissenschaften, ferner auch einige Semester an der Hochschule für die Wissenschaft des Judemtums. 1910 promovierte er mit einer Arbeit über die Pädagogik Berthold Ottos zum Dr. phil. 1911 legte Wachsner in Jena seine Lehramtsprüfung in Physik, Chemie, Mineralogie sowie in Botanik und Zoologie ab. Militärdienst musste Wachsner nicht leisten, da er bei einer Musterung im September 1910 als „untauglich“ eingestuft wurde. Früh interessierte sich Fritz Wachsner für Reformpädagogik und beschäftigte sich intensiv mit diesem Thema. In Veröffentlichungen wie einem Aufsatz über Schülerwanderungen machte sich Wachsner Gedanken darüber, wie sich Schüler besser entfalten und wie Lehrer ihnen besser gerecht werden können.

Fritz Wachsner engagierte sich in jüdischen Organisationen und gehörte der Berliner Jüdischen Reformgemeinde an, für deren Zeitung er Beiträge schrieb. Am 2. Juni 1914 heiratete Fritz Wachsner in Beuthen die sechs Jahre jüngere Charlotte Apolant. Am 14. April 1915 kam Fritz Wachsners Tochter Charlotte auf die Welt. Vier Tage nach der Geburt des Kindes starb seine Ehefrau. Am 31. Juli 1917 heiratete der 31jährige Witwer die 22jährige Paula Pese, eine Jugendfreundin seiner verstorbenen Frau. Am 31. August 1919 kam in Buckow ihr Sohn Ernst auf die Welt.

1917 wurde Fritz Wachsner in den höheren Schuldienst Preußens berufen und trat eine Stelle als Lehrer am Sophien-Gymnnasium in Berlin und danach in der Kirschner-Oberrealschule in Berlin an. In Buckow (Brandenburg) baute er zwei Jahre eine „höhere Lehranstalt mit Internat“ auf. Im Oktober 1920 wechselte er als Oberlehrer an die Schinkel-Schule in Prenzlauer Berg in der Carmen-Sylva-Straße, der heutigen Erich-Weinert-Straße und dem heutigen Gebäude der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule. Das Provinzial-Schulkollegium bestellte ihn zum ständigen Vertreter des Direktors.

In den 1920er Jahren wohnte Fritz Wachsner in der Stargarder Straße 65/66 in Prenzlauer Berg und zog Anfang der 1930er Jahre mit seiner Familie in die Prenzlauer Allee 145 um. Von September 1930 bis März 1931 leitete Wachsner die Schinkel-Oberschule kommissarisch als Direktor. Er galt als beliebter und engagierter Lehrer, der seine Schüler gerne zum Lachen brachte. Auch nach Schulschluss kümmerte sich Wachsner um seine Schüler. Am 13. Dezember 1929 gründete er eine Arbeitsgemeinschaft mit seinen Schülern, die sich in seiner Privatwohnung zu Gesprächen trafen. Zu dieser Runde kam auch Wachsners Schinkel-Schüler Ferdinand Thomas, der von den Nazis am 20. November 1944 als Widerstandskämfer hingerichtet wurde.

 
 
 
Fritz Wachsner (obere Reihe, 4. von links) um ca. 1930 mit seinen Schülern. Das Foto wurde wahrscheinlich im Chemieraum der Schinkel-Oberschule (heute Haus Geschichten der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule) aufgenommen.
(Foto: Prenzlauer Berg Museum)

 

Wenige Wochen nach der Machtergreifung der Nazis verlor Fritz Wachsner 1933 seine Stelle als Lehrer an der Schinkel-Oberschule. Die Nazis erkannten Fritz Wachnser auch seinen Doktortitel ab. Ein Unrecht, das erst 1998 offiziell durch die Humboldt-Universität rückgängig gemacht wurde. Als Wachsner im Juli 1933 seinen 47. Geburtstag feierte, schrieb ihm sein Schwager Rudolf Pese, er hoffe, dass er „recht bald wieder in Amt und Würden“ sein werde: „Wenn wir als Juden auch jetzt schlimme Zeiten durchmachen und vor allem seelisch dauernd unter den Ungerechtigkeiten zu leiden haben, so wollen wir auf bessere, und uns mehr Gerechtigkeit bringende Zeiten hoffen und nicht den Mut sinken lassen.“

 

 

 

Nach der Machtergreifung der Nazis verlor Dr. Fritz Wachsner im April 1933 seine Stelle an der Schinkel-Oberschule.
(Foto: Landesarchiv Berlin)

 

Fritz Wachsner und seine Familie zogen nach Charlottenburg in die Schaperstraße 30. 1935 wurde er Gründungsdirektor der jüdischen Joseph-Lehmann-Schule in der Joachimsthaler Straße, an der er bis 1937 unterrichtete. Von 1939 bis 1941 unterrichtete er an einer Privaten Chemieschule der Jüdischen Reformgemeinde Berlin. Einer seiner Schüler war sein Sohn Ernst. Am 31. Juli 1942 konnten Fritz und Paula Wachsner ihre silberne Hochzeit feiern. Auf einer Rot-Kreuz-Nachricht an ihre Tochter Charlotte in den USA teilten sie mit: „Silberhochzeit ohne Gäste“. Mehr und mehr Familienangehörige und Bekannte wurden deportiert.

Fritz Wachsner wurde am 5. September 1942 zusammen mit seiner Ehefrau Paula von der Gestapo nach Riga deportiert und am 8. September 1942 ermordet. Auch sein Sohn Ernst überlebte den Holocaust nicht. Nur Tochter Charlotte gelang unter schwierigsten Umständen die Flucht in die USA.

Berliner Freundinnen von Charlotte retteten Fotos, umfangreiche schriftliche Aufzeichnungen und religiöse Gegenstände der Familie Wachsner vor den Nazis. Nach Kriegsende verpackten sie den Nachlass in einen großen Karton und schickten ihn zu Tochter Charlotte und der 1941 geborenen Enkelin Marianne in die USA. Den umfangreichen Nachlass übergab Marianne Meyerhoff, die Enkelin von Fritz Wachsner, im Dezember 2014 anlässlich der 100-Jahr-Feier des Schulgebäudes in der Erich-Weinert-Strasse 70 dem Jüdischen Museum in Berlin. Es ist eine einzigartige Dokumentation. Über ihre Familiengeschichte veröffentlichte Marianne Meyerhoff in den USA ein Buch mit dem Titel „Four girls from Berlin“.

Die Schülerinnen und Schüler der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule erforschten 2014 in einem großen Geschichtsprojekt das Leben von Dr. Fritz Wachsner. Auf ihre Initiative wurde der Stolperstein vor dem Schulgebäude in der Erich-Weinert-Strasse 70 verlegt und die Aula der Schule in Anwesenheit der Enkelin Marianne Meyerhoff und ihres Mannes Joel Steinberger in „Fritz Wachsner Saal“ umbenannt.

 

Verlegung des Stolpersteins für Fritz Wachsner am 27. November 2014 vor dem Schulgebäude in der Erich-Weinert-Strasse 70.
(Fotos: Peter Müller)

 

Gedenken 27-01-2020Anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus haben am 27. Januar 2020 Lerngruppensprecher/innen, Schüler/innen und weitere Kolleg/innen am Stolperstein von Fritz Wachsner vor dem Schulgebäude in der Erich-Weinert-Straße in einer sehr berührenden und würdevollen Atmosphäre den Worten von Chaijm Grosser, Lebenskunde- und Keramiklehrer sowie Überlebender des Holocaust, gelauscht und Blumen abgelegt. Den Text der Rede finden Sie hier.