Alte Gebäude mit neuen Perspektiven

Fassadenzeichnung von 1956

© Museumsverbund Pankow

Im September 2008 ist die neu gegründete Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule in ein Schulgebäude mit wechselvoller Geschichte gezogen:

In den Jahren 1957 bis 1959 entstanden, wurde der Bau in der Gudvanger Straße 16-20 zunächst von einer Berufsschule für Blechbearbeitung und Baugewerbe genutzt. 1982 übernahm die nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Rudolf Gyptner (1923–1944) benannte 28. Oberschule das ehemalige Berufsschulgebäude und passte es ihren Bedürfnissen an. Nach der Neustrukturierung des Ostberliner Schulwesens befand sich von 1991 bis 1997 die 14. Grundschule und danach eine Filiale der 17. Grundschule in dem lichten Bau am Humannplatz. Zuletzt diente das Gebäude als Ergänzungstrakt der benachbarten Schinkel-Realschule.

Das fünfgeschossige, zwischen vorhandene Wohnhäuser eingefügte Schulgebäude in der Gudvanger Straße mit seinen großen Fensterfronten ist streng symmetrisch gegliedert. Bestimmt wird es von einem mittleren Gebäudeteil, in dem, über jeweils zwei Etagen gehend, übereinander die Turnhalle und die Aula untergebracht sind. An diesen mittleren Gebäudeteil fügen sich rechts und links zwei baugleiche äußere Gebäudeflügel mit verglasten Zugängen unter geschwungenen Vordächern an. Die beiden Außenflügel werden von offenen Treppenhäusern geprägt, die kurze, intime Flure mit je zwei Klassenräumen und zugehörigen Vorbereitungsräumen erschließen. Den oberen Gebäudeabschluss bildet eine sich über die gesamte Gebäudebreite erstreckende Etage mit Dachterrasse zur Hofseite.


Grundsteinlegung des Gebäudes 1957

© Museumsverbund Pankow

Gebaut wurde die Schule in der Gudvanger Straße in den späten 1950er Jahren – in einer Zeit, in der nach Stalins Tod nach neuen Formen des öffentlichen Bauens und speziell auch der Schulgestaltung jenseits des zuvor propagierten sozialistischen „Zuckerbäckerstils“ gesucht wurde. Die Schule in der Gudvanger Straße stellt hier architekturgeschichtlich eine Art Zwischenmodell zwischen pompösem sozialistischem Klassizismus und einer sich in den 1960er Jahren in der DDR etablierenden, am internationalen Stil orientierten „Ostmoderne“ dar. Entsprechend löste sich der Bau mit seinen eher kleinen Klassenetagen bereits vom sonst geförderten Modell langer Schulkorridore. Und auch in der Außengestaltung orientierte er sich trotz aller Anklänge an klassizistisch-traditionellere Bauformen bereits klar an einer sachlich-reduzierteren Formensprache.


Gestaltung der Fassade durch ein Mosaik

© Kratz-Kessemeier

Deutlich zum Ausdruck kommt der Aspekt des Übergangs nicht zuletzt in der baukünstlerischen Ausstattung des Schulgebäudes. So fügte der Meißener Porzellankünstler E. G. Clauß 1958 insgesamt acht, teilweise bis heute erhaltene Wandbrunnen in die einzelnen Etagen der äußeren Gebäudeflügel ein – und entfernte sich dabei mit heimatverbundenen Motiven wie „Der Garten“ zwar noch nicht vollständig vom realistischen Stil, aber doch von explizit realsozialistischen Arbeiten, wie er sie selbst Anfang der 1950er Jahre beispielsweise in Eisenhüttenstadt realisiert hatte. An der Fassade der Schule in der Gudvanger Straße ging man dann sogar noch einen Schritt weiter Richtung Moderne, indem man ein schon stark abstrahiertes, allenfalls entfernt an geschwenkte Fahnen erinnerndes buntes Keramikmosaik anbrachte. Das Mosaik, das bis heute die Straßenfront der Schule prägt, kann als Vorbote späterer abstrakter Wandgestaltungen der „Ostmoderne“ verstanden werden, wie sie Clauß in den frühen 1960er Jahren etwa am Postamt in der Dresdener Neustadt umsetzen konnte.